Wir erwachen, weil im Schlafsaal das Gewusel beginnt. Auch wir packen zusammen, und erfahren in einem Gespräch mit den zwei Schweizerinnen und der Deutschen, dass unsere Erfahrung mit den portugiesischen Autofahrern von mindestens drei weiteren Menschen geteilt wird.
Tino geht es wieder richtig gut – zum Glück, denn die heutige Etappe erfordert absolute Höchstleistung von uns beiden! Davon ahnen wir zu Beginn aber noch nichts. Ganz entspannt geht es zunächst bergab. Auffällig ist, dass die Pflasterstraßen zunehmen, aber die stecken wir mit unseren dicken Reifen relativ gut weg. In einem Cafè in Ponte de Lima essen wir unsere vermutlich letzten Pasteis de Nata in Portugal, denn wir nähren uns der spanischen Grenze.
Auf einigen Schildern wird indirekt mit “Unterkunft kurz vor dem steilen Anstieg“ vor den kommenden Kilometern gewarnt. Auch unser Navi zeigt einen dunkelrot bis schwarz gefärbten Bereich an mit dem Hinweis, dass man dort ggf. schieben muss. Schieben klingt doch machbar, denken wir und folgen den gelben Pfeilen in den Wald. Ab dann beginnt der Kraftakt. Wir schieben das Tandem bergauf, über immer gröber werdendes Geröll. Mit unserem gesamten Körpergewicht lehnen wir uns fürs Vorwärtskommen rein. Irgendwann liegen uns kniehohe Steine vergleichbar mit Stufen im Weg. Damit unsere Kettenblätter nicht aufsetzen, müssen wir unsere 90 kg Stretchlimosine (incl. Gepäck) stellenweise tragen und nicht nur einmal drohen wir abzurutschen und als Gesamtes umzukippen. Zweimal glauben wir es geschafft zu haben und müssen beide Male nach kurzer Ebene weiter in noch steilere, engere und steinigere, kurz: härtere Passagen, die wir uns Meter für Meter erkämpfen. Nach über zwei Stunden für gerade einmal zwei Kilometer, dafür aber 330 Höhenmeter, ist die Erleichterung groß als wir oben ankommen. Und dann geht es auch schon wieder bergab. Alle folgenden Pflasterstraßen erscheinen uns dagegen wie perfekte Radwege.
Unsere heutige Herberge empfängt uns mit offener Pforte, allerdings ist die Rezeption nicht besetzt. Sieben Pilger, die schon vor uns eintrafen, haben den offenstehenden Bettensaal besetzt und da wir bis zur Dämmerung niemanden erreichen, der uns einen weiteren Raum öffnen könnte, stellen wir schließlich unser Zelt im Garten auf. Das ist ein unfassbar vertrautes Gefühl, welches sich aus verinnerlichten Handgriffen, Geruch und leisem Knistern zusammensetzt.
Körperlich liegt definitiv einer der härtesten Teilabschnitte hinter uns (auch die anderen Pilger können kaum glauben, dass wir den selben Weg gekommen sein sollen). Psychisch haben wir das ganze aber mehr als gut gemeistert. Ein super Teamwork ohne emotionalen Zusammenbruch trotz absoluter Grenzleistung.

1 Kommentar

  1. Das ist ja krass und macht euch keiner so schnell nach. Toll wie ihr die Herausforderungen trotzdem meistert. Ein gutes Lebenstraining. Ich frage mich, ob der Jakobsweg überhaupt für Fahrradfahrer geeignet ist, bin mir aber sicher, dass ihr das recherchiert hattet und ich bin gespannt auf den weiteren Verlauf.
    Ich bin ein bisschen abgehängt, bzw. hänge auch noch im Bett ab und gönne mir nun endlich, nach längstem Abstand, in dem ich euch nicht verfolgt hatte, euren Reisebericht.
    Und freue mich nun auf 100erte Kilometer ohne jegliche Anstrengung :)) ❤️ eine herzliche Umarmung an euch Beide

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