on tour

09.06.2023 – Angeren

Wir folgen weiter dem Deich. Bei Nijmegen stoßen wir auf die LF3, eine der großen Radstrecken der Niederlande, die sich quer durchs Land ziehen. Dieser Route wollen wir in den nächsten Tagen bis Zwolle folgen.
Zum ersten Mal seit Reisestart im September, steigt die Temperatur ab dem Mittag auf 30°C. Das ist definitiv kein ideales Radfahrwetter. Viel schneller als sonst erschöpft sich unsere Energie. Die sechs Liter Wasser, die wir immer dabei haben und über die schon oft geschmunzelt wurde, sind jetzt kein unnötiges Gepäck mehr. Rasant leeren wir die Flaschen über den Tag – und trotzdem bleibt der Urin gelb. Regelmäßig müssen wir Sonnencreme nachtragen – alles klebt… Eins ist klar, der vielfach hinterfragte Start unserer Tour im Herbst war genau richtig.
Als es gegen Mittag fast unerträglich wird, sehen wir am Wegesrand viele parkende Autos, die uns indirekt auf eine Badestelle, die Bisonbaai, aufmerksam machen. Der See liegt in einem Naturschutzgebiet, baden ist aber erlaubt solang man Abstand zu den Galloway-Rindern und den Konik-Pferden hält, welche hier friedlich grasen. An der langen Nordseite des Sees ist ein FKK-Bereich. Sehr praktisch für Radreisende, die sich nicht auf der Suche nach Badesachen durch die Klamottentaschen wühlen wollen! Das Wasser ist angenehm kühl und anschließend im Schatten trocknend, stellt sich Wohlfülklima ein.
Kurz bevor wir aufbrechen erfahren wir, dass die Fähre, mit der wir die Waal überqueren wollen, nicht fährt. Also müssen wir einen kleinen Umweg in Kauf nehmen, mit dem wir das Problem durch zwei anderen Fähren “umschiffen“. Im Gegensatz zu Belgien kosten die Überfahrten leider etwas. Aber immerhin sind Tandems mit einem günstigen Spezialpreis extra aufgelistet. Wenige Meter vom Fähranleger entfernt verläuft die Deutsch-Niederländische Grenze – die Heimat zum greifen nah! Einen gewissen Sog können wir nicht leugnen, aber wir bleiben dennoch so lang wie möglich in den Niederlanden und genießen die Radwege 😉
Unser Zelt dürfen wir heute im Garten von Edwin und Lotte und ihrem kleinen Sohn aufschlagen, die wir über Welcome to my garden gefunden haben. Zu Besuch ist auch noch ein befreundetes Elternpärchen der beiden und wir werden zu einem leckeren Abendessen in lustiger Runde eingeladen.

Regen.-Pause

08.06.2023 – Druten

In den letzten Tagen lief es so gut, dass wir uns regelrecht dazu zwingen müssen mal wieder einen richtigen Pausentag einzulegen – ohne Stadterkundung oder sonstigem Programm. Der kleine Campingplatz, auf dem wir gestern angekommen sind, bietet sich, ob seiner Gemütlichkeit und lockeren Atmosphäre, dafür an. Wir schlafen entspannt aus und laufen dann zum nächsten Supermarkt, um uns für den Tag einzudecken. Auf dem Weg dorthin zieht es uns in ein Einrichtungshaus, in dem wir uns für die neue Wohnung inspirieren lassen.
Der Supermarkt, den wir in den Niederlande immer wieder sehen, nennt sich Jumbo. Hier gibt es wieder richtigen Kwark (kein Schreibfehler)! Und das nutzen wir natürlich, um unser Leinöl vom letzten Kartoffelessen alle zu bekommen. Außerdem gibt es eine große Auswahl an Dips und Antipasti, die sich hervorragend für unsere Pausen an Radeltagen eigenen.
Zurück auf dem Camping trinken wir Tee/Kaffee, essen Eis und schauen unseren direkten Nachbarn, den Hühnern, beim chillen und ausbüchsen zu. Abends lassen wir den Tag im Gemeinschaftsraum mit Dart und Karambol (Billard mit drei Bällen auf einem Tisch ohne Taschen) ausklingen.

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07.06.2023 – Druten

Nach einem leckeren Frühstück mit unseren Hosts verabschieden wir uns. Wir fahren auf dem Waaldeich entlang und Erinnerungen von kurzen Urlauben auf dem Elbe- und Oderradweg kommen hoch. Apropos Erinnerung: Unser neues Lieblingsspiel heißt “erinnerst du dich noch an…“ Dabei beschreibt einer ein beliebiges Ereignis oder einen Ort der letzten Monate und der andere versucht es zuzuordnen und ggf. um weitere Details zu ergänzen. Irre, nach wie wenig Worten wir uns teilweise schon in der selben Situation befinden!
Kurz vor unserem anvisierten Campingplatz sehen wir im Augenwinkel am Fuße des Deiches einen interessanten Baum. Aus der Ferne ist er ganz weiß und scheint über und über mit Spinnweben bedeckt. Bei genauerer Inspektion erkennen wir aber, dass die Weben nicht von Spinnen stammen, sondern von abertausenden Raupen, die wie schwarze Stalaktiten von dem Gebilde herabhängen. Überall kreucht und fleucht es und es knistert in den verbliebenen Blättern der mächtigen Weide. Selbst der Boden ist weiß bedeckt und vom nahen Sumpf riecht es in der schwülen Hitze nach Fäulnis und Verwesung. Ein Bild wie aus einem schlechten Gruselfilm: die sich ausbreitende Seuche. Auf dem Campingplatz sind wir sehr froh über die warme, säubernde Dusche.

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06.06.2023 – Gorinchem

Wir leiden seit Tagen an einem Gemüsemangel, daher essen wir in unserer Pause einen großen Salat.
Auch die Niederlande ist gezeichnet von vielen Gewässern, die regelmäßig mit Fähren überquert werden müssen. Heute läuft das wie am Schnürchen und auch sonst kommen wir nicht raus aus dem Staunen über die Radwege.
Nachmittags werden wir von Bart und Charlotte empfangen. Zu unserer Überraschung und Freude auf Deutsch! Einige Niederländer sprechen unsere Sprache erstaunlich gut und es fühlt sich an, wie ein weiterer großer Schritt Richtung Heimat. Die Beiden sind sehr interessiert und so erzählen wir ausführlich über unsere bisherige Reise und nehmen dabei selbst so richtig das Gesamtwerk wahr. Während wir unterwegs sind, leben und fahren wir von Tag zu Tag oder Woche zu Woche. Aber diese vielen Erlebnisse so geballt wiederzugeben, lässt uns einen Schritt zurücktreten und das Ausmaß der Tour begreifen.
Wir werden zum Abendbrot eingeladen und die Gesprächsthemen nehmen kein Ende. Bart betreibt eine Webseite mit Fotos und Texten zu allen Ereignissen ihres Lebens und einem Familienstammbaum inklusive detaillierter Information zu den Personen – sehr inspirierend!
Beim Einschlafen haben wir mit ein paar Mücken im Zimmer zu kämpfen. Es ist ein riesen Unterschied ob man Mücken im Zelt oder in einem Raum jagt… danach schlafen wir aber fantastisch in dem gemütlichen Doppelbett.

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05.06.2023 – Tilburg

Heute geht es auf einem Bahndamm in die Niederlande. Doch so einfach lässt uns Belgien nicht los: Die beiden Länder sind hier extrem verschachtelt. Immer wieder überqueren wir die Staatsgrenze, bis wir am Ende ganze fünf Mal in die Niederlande eingefahren sind. Zum Glück leben wir in der Europäischen Union und müssen uns nicht jedes mal ausweisen 😉 Nachdem wir schließlich wirklich im Nachbarland sind, staunen wir nicht schlecht. Wir hätten es nicht für möglich gehalten, doch die Radwege erreichen, gerade in den Städten, nochmal ein neues Level. Als Radfahrer befindet man sich in einem von den Autos unabhängigen Wegenetz. Und dort wo beide Syteme aufeinander treffen, gibt es entweder Tunnel, Brücken oder klare Regelungen der Vorfahrt, die nicht standartmäßig zugunsten der Autofahrer ausfallen.
Nach einem kurzen Mittagssnack aus unfassbar leckeren lokalen Erdbeeren, Käsewürfeln und Börek, sehen wir am Wegesrand den Stahlrumpf eines alten Propellerflugzeugs. Hier befand sich im zweiten Weltkrieg ein sogenannter Scheinflughafen der deutschen Besatzer, mit falscher Start- und Landebahn und Flugzeugattrappen.
Abends kommen wir auf einem “Bauernhof-Camping“ an, mit vielen Pferden und einem Wachhund, der jedes mal neu entscheidet, ob er uns zu den Sanitäranlagen lässt oder nicht.

Land

Belgien Spezial

Nach gerade einmal neun Tagen verlassen wir Belgien. Eigentlich zu kurz, um ein richtiges Fazit zu bilden. In Erinnerung bleibt uns eine witzige Sprache (von der wir uns glücklicherweise noch nicht verabschieden müssen, weil sie in den Niederlanden sehr ähnlich gesprochen wird), die man mit etwas Konzentration verstehen kann, ohne sie jemals gelernt zu haben, da sie deutliche Einschläge aus dem Französischen, Englischen und Deutschen hat. Außerdem eine unfassbar flache Landschaft, welche im Vergleich zu Frankreich noch mal deutlich dichter besiedelt und von menschlicher Nutzung geprägt ist. Ein Belgier meinte sogar zu uns, dass sich die Radfahrer hier nur an den Kirchtürmen orientieren und auf diese Weise von Ort zu Ort navigieren. Dazu kommt dann natürlich noch diese angenehme, radfreundliche Infrastruktur, wie die durchdachten Radwegenetze, aber auch die WelcomeToMyGarden-Idee, die während Corona in Belgien geboren wurde. Wir sind fast ausschließlich über diese Webseite untergekommen, hatten tolle Gespräche und würden nach diesen Erfahrungen eine zukünftige Reise sicherlich noch mal anders angehen. Gent bleibt auf unserer Wunschliste für einen Städtetrip in der Zukunft.

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04.06.2023 – Turnhout

Heute erreichen wir den Tiefpunkt unserer Reise! In einem Aufzug geht es mit Tandi 32 Meter unter die Erde und dann 500 Meter durch einen Tunnel unter der Schelde entlang. Auf der rechten Flusseite von Antwerpen tauchen wir wieder auf. Hier ist Flohmarkt und wir sehen uns ein paar alte Gemälde und Lampen an. Dabei kommt Vorfreude auf das Einrichten der neuen Wohnung hoch!
Ein paar Kilometer müssen wir noch durch die Stadt. Aber das ist wirklich nicht anstrengend bei dieser fabelhaften Wegeführung. Es gibt einige bewegliche Brücken und gerade als wir über eine hinweggerollt sind, klingelt es und die Schranken schließen sich. Schnell bildet sich eine Autoschlange, eine Joggerin muss unruhig im Kreis rennen. Beim Blick zurück sehen wir ein Gedicht an der Brückenunterseite. Deepl übersetzt wie folgt:

Ein gutes Stadtgedicht von Stijn Vranken
Ein gutes Stadtgedicht erkennt man sofort.
Der Titel ist treffend,
der Anfang witzig
und es hängt bestenfalls im Weg
an der Unterseite einer enorm großen Brücke.
Es ist lustig,
aber nicht übertrieben.
Und es überrascht
– im letzten Moment stellt es dann noch so etwas
wie zum Beispiel diese elende Frage:
Trägt dieses Schiff nicht sehr leise die Zeit,
die du hier so verzweifelt verlierst?“

An einem Kanal geht es schließlich schnurgerade nach Turnhout. Hier kommen wir bei Els unter. Sie ist Lehrerin in einer Grundschule und erzählt uns vom belgischen Schulsystem. Die Klassen 1 bis 6 erhalten ihren Unterricht jeweils für das gesamte Schuljahr in allen Fächern von nur einem Lehrer. Els zum Beispiel hat seit Jahren immer eine sechste Klasse – täglich von Morgens bis Nachmittags. Sie lernt die Klasse und alle Kinder dadurch sehr gut kennen und kann so viel besser auf alle Bedürfnisse eingehen und fächerübergreifend lehren. Sie ist sehr überzeugt von dem System und ihr Engangement beeindruckt uns!

Regen.-Pause Stadt

03.06.2023 – Antwerpen

Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: Wir setzen mit der Fähre über ins Stadtzentrum, mit Museumsplänen im Gepäck. Auf der rechten Uferseite angekommen, treibt es uns dann aber erst mal in den “Het Steen“, das älteste Gebäude der Stadt. Vom Turm hat man einen tollen Blick und es gibt Austellungsräume, die Antwerpens Geschichte erzählen und einem Erkundungstouren vorschlagen – mit Fokus auf Architektur, Kulinarik, Romantik oder Shopping. Unsere Museumspläne werden über den Haufen geworfen und wir laden uns den GPX Track “Romantik“ herunter. Doch schnell verläuft sich auch dieser Plan, weil es uns immer wieder in andere Gassen zieht. Am Ende schlendern wir einfach entspannt von einer Leckerei zur Nächsten. Es wird ein schöner Tag in einer wirklich schönen Stadt und dennoch stellen wir am Ende etwas ernüchtert fest, dass für uns beide das Reisen in andere Städte und Länder kulinarisch, durch die Globalisierung, irgendwie doch nicht mehr so besonders ist. Eine richtig gute Waffel bekommt man auch in Hildesheim und eine richtig gute Pizza in Berlin – mittlerweile vermutlich besser als das Original 😉 Die Essenz des Reisens für uns, welche man Zuhause nicht so hautnah erleben kann, sind die Landschaften und die Menschen. Und so freuen wir uns inzwischen mehr als am Anfang auf unsere WarmShower- oder WelcomeToMyGarden Hosts. “Einheimische“ die einem das Land und seine Eigenheiten näher bringen und einen abseits jener Dinge, die dem Reisenden offensichtlich präsentiert werden, tiefer eintauchen lassen. Bis man am Ende merkt, dass eigentlich überall nur Menschen leben, mit ihren Freuden und Problemen.

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02.06.2023 – Antwerpen

Mit einer exakten Wegbeschreibung der besten Fahrradroute nach Antwerpen machen wir uns auf den Weg. Es gibt hier vom Staat finanzierte Fähren, mit denen wir Flussseitenhopping betreiben. Nur bei der Ersten haben wir etwas Pech, weil wir genau zur Mittagspause eintreffen und ca. eine Stunde warten müssen. Aber allgemein ist es eine super Sache!
Auf dem “City Camping Antwerpen“ bauen wir unser Zelt auf und schmieden Pläne für den nächsten Tag – einen Pausentag mit Stadtbesichtigung.